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Schimpfen wie die alten Römer

In der Benutzung von Schimpfwörtern waren die Römer alles andere als zurückhaltend und zimperlich. Kraftausdrücke und Verbalinjurien waren das Salz jedes Streits, der auf dem Markt, in der Kneipe oder auch im «trauten» Heim (vgl, etwa den Ehekrach zwischen Trimalchlo und Fortunata, Petr. 74) ausbrach. Ein fast unerschöpfliches Reservoir an Schimpfwörtern bieten die Komödien des Plautus; in ihnen wird auf manch einen eine nicht enden wollende Schimpkanonade abgeschossen. Schimpfwörter gehörten auch zum Arsenal der politischen Polemik. Römische Politiker gingen erheblich rüder miteinander um, als es heute vorstellbar ist: Viele Ausdrücke zielten bewusst unter die Gürtellinie. (nach: Karl-Wilhelm Weeber, Alltag im alten Rom, Zürich 1995, S. 300f.)

Nikolaus Christoph Radziwill,
Ierosolymitana peregrinatio, p. 219 (archive.org)

Nikolaus Christoph Radziwill (Mikołaj Krzysztof Radziwiłł, 1549–1616) veröffentlicht 1601 seine Ierosolymitana peregrinatio, einen lat. Reisebericht seiner Pilgerreise nach Jerusalem. Er trat diese Reise 1582 an, die ihn von Venedig auf dem Seeweg über Dalmatien, Kreta und Zypern an die libanesische Küste führte. Er besuchte Damaskus, den See Genezareth und Jerusalem. Auf der Rückreise machte er in Ägypten Halt und besuchte Kairo, die Pyramiden und Alexandria. Im dritten Teil des Berichts (Epistula tertia, 136–281, Argumentum siehe unten) wird der Aufenthalt in Ägypten und insbes. die Begehung von Grabstätten beschrieben. Im weiteren Reisebericht ist dann von mehreren Stürmen die Rede, die der Autor auf die mitgeführten Mumien zurückführt. Das Schiff geriet in Seenot. Die Stürme flauten erst ab, nachdem die Mumien über Bord geworfen worden waren.

Nikolaus Christoph Radziwill,
Ierosolymitana peregrinatio, Epistula tertia, argumentum (p. 136f.)

Einschlägige Textstellen:

  • p. 188: Mumia et eius extrahendi ratio; Idola mumiarum
  • p. 189: Aegyptiorum in exornandis et condiendis defunctorum corporibus diligentia
  • p. 190: Mumia non fortuito, sed diligenter conficitur
  • p. 194: Crocodili Niliaci
  • p. 215: Equi carnes comedentes
  • p. 217: Tempestas atrox
  • p. 228: Mumia in navi deportata tempestatem ciet
  • p. 230: Mumias cur Turcae efferri prohibent

Quellen:

  • Mummies and Magic – Unterhaltsamer Podcast zweier Ägyptologinnen des staatlichen Museums Ägyptischer Kunst München). Die Folge 41 (1.1.2023) behandelt u.a. den Fluch der Mumie, durch welchen Schiffe in Seenot geraten.
  • Nikolaus Christoph Radziwill (Mikołaj Krzysztof Radziwiłł, 1549–1616) (Wiki-Beitrag)
  • Lat. Text (Archive.org): Ierosolymitana peregrinatio illustrissimi principis Nicolai Christophori Radziuili

Latine vertit Ingrides Thiel Iuliacensis.
Quelle: Forum Classicum 2006 (3),240f.
Text als PDF

Loriot, Advent
Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken
Schneeflöcklein leis hernieder sinken.
Auf Edeltännleins grünem Wipfel
häuft sich ein kleiner weißer Zipfel.
Eventus adventualis Loriotinus
Livescit1 nox et micant stellae,
caduntque plumae nivis bellae,
quae augent pini cacumina
alba parva lacinia.2

Und dort vom Fenster her durchbricht
den dunklen Tann ein warmes Licht.
Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
Die Försterin im Herrenzimmer.
Lux fovens e fenestra illa
in silva visa est tranquilla.
Hic saltuarii3 uxorem
vides per cerei splendorem.
Moratur nixa genibus
mariti in conclavibus.

In dieser wunderschönen Nacht
hat sie den Förster umgebracht.
Er war ihr bei des Heimes Pflege
seit langer Zeit schon sehr im Wege.
In nocte hac pulcherrima
maritum privat anima.
Uxori, cum domum purgabat,
iam dudum graviter obstabat.

So kam sie mit sich überein:
am Niklasabend muss es sein.
Und als das Rehlein ging zur Ruh,
das Häslein tat die Augen zu,
Idcirco secum cogitat:
Ipsa vigilia4 fiat
diei Nicolai festi,
qua traha5 advenit caelesti.
Obdormit iam capreolus,6
nidum petit lepusculus,

erlegte sie direkt von vorn
den Gatten über Kimm’ und Korn.
Von Knall geweckt rümpft nur der Hase
zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase,
maritum cum illa aspexit
et recta via cor transfixit.
Leporem fragor7 excitat,
nares scrutantes8 corrugat,9

und ruhet weiter süß im Dunkeln,
derweil die Sternlein traulich funkeln.
Und in der guten Stube drinnen,
da läuft des Försters Blut von hinnen.
tum umbrae noctis eum velant
et stellulae10 amice micant,
cum cruor in cubiculo
stillat e saltuario.

Nun muss die Försterin sich eilen,
den Gatten sauber zu zerteilen.
Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen
nach Waidmanns Sitte aufgebrochen.
Uxori nunc est festinandum
ad virum rite11 dissecandum.
Effregit12 more venatoris
truncum13 et ossa paucis horis.

Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied,
(was der Gemahl bisher vermied),
behält ein Teil Filet zurück,
als festtägliches Bratenstück
Membrum in membro posuit,
quod vivus ille noluit,
et partem carnis asservat,
ut assum14 festum comedat.

und packt zum Schluss, es geht auf Vier,
die Reste in Geschenkpapier.
Da tönt’s von fern wie Silberschellen,
im Dorfe hört man Hunde bellen.
Et quae restant – vigilia quarta –
ut dona ligat fascia arta.15
Tum procul tintinnabula16
circumsonant argentea.
In vico, ut respondeant,
canes solliciti17 latrant.18

Wer ist’s, der in so tiefer Nacht
im Schnee noch seine Runde macht?
Knecht Ruprecht kommt mit goldnem Schlitten
auf einem Hirsch herangeritten!
Quis per nocturnas tenebras
pervolat nives gelidas?
Aurata traha vehitur
Rupertus; cervo trahitur.

“He, gute Frau, habt Ihr noch Sachen,
die armen Menschen Freude machen?”
Des Försters Haus ist tief verschneit,
doch seine Frau steht schon bereit:
»Heus domina, habesne res,
quibus laetentur pauperes?«
Domus est nivibus velata,
sed domina iam est parata:

“Die sechs Pakete, heil’ger Mann,
‘s ist alles, was ich geben kann.”
Die Silberschellen klingen leise,
Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise.
»Heus tu, sex fasces19 habeo,
quibus facile careo.«
Mox lene tintinnabulum;
Rupertum aufert cisium.20

Im Försterhaus die Kerze brennt,
ein Sternlein blinkt – es ist Advent.
In domo saltuarii
lucent adventus cerei.

  1. livescere – blauen
  2. lacinia – Zipfel
  3. saltuarius – Förster
  4. vigilia – hier: Vorabend
  5. traha – Schlitten
  6. capreolus – Rehlein
  7. fragor – Knall
  8. nares scrutantes – Schnuppernase
  9. corrugare – rümpfen
  10. stellula – Sternchen
  11. rite – ordentlich
  12. effringere – aufbrechen
  13. truncus – Rumpf
  14. assum – Braten
  15. fascia arta – strammes Band
  16. tintinnabulum – Glöckchen
  17. sollicitus – wachsam
  18. latrare – bellen
  19. fasces – Bündel
  20. cisium – Reisewagen

Libretto (lat./dt.) als PDF

Begleittext zum Youtubevideo:
Deutsche Radio Philharmonie
Dirigent: Christoph Poppen
Ruth Ziesak, Sopran
Anja Schlosser, Mezzosopran (Alt)
Claudia Mahnke, Mezzosopran
James Taylor, Tenor
Nikolay Borchev, Bariton
Konzertchor Darmstadt (Einstudierung: Wolfgang Seeliger)
Congresshalle Saarbrücken ∙ Freitag, 12. Dezember 2008

1858, zu seinem zweiten Weihnachtsfest im Amt als Organist der Église de la Madeleine in Paris, stellte Camille Saint-Saëns sein „Oratorio de Noël“ vor, ein lateinisches Weihnachtsoratorium nach Worten der Heiligen Schrift in der Fassung der Vulgata. Liturgisch gesehen, beschränkt sich das Werk streng auf die Verse 8 bis 14 aus dem zweiten Kapitel des Lukasevangeliums, also die Verkündigung an die Hirten. Daran schließen sich umfangreiche Betrachtungen auf biblische Texte aus dem Alten und Neuen Testament an, die Saint-Saëns raffiniert gestaffelt hat: Von solistischen Arien weitet sich die Perspektive kontinuierlich über Duett, Terzett und Quartett bis hin zum Quintett mit Chor und dem folgenden Schlusschor. Mit zehn Nummern und 40 Minuten Spieldauer ist es für die Epoche ein eher knappes Werk, zudem im Stil schlicht gehalten. Dennoch blieb der junge Komponist dem rührenden Sujet an Stimmungsmalerei nichts schuldig.

Unverkennbar handelt es sich um Musik eines Organisten, beschränkte sich Saint-Saëns im Orchester doch auf Streicher, solistische Orgel und die von ihm so geliebte Harfe. Das Orchestervorspiel wird von der Orgel einer Hirtenweise eröffnet. Saint-Saëns dachte sich dieses Präludium „dans le style de Séb. Bach“, im Stile von Bach. Im weich schwingenden Siciliano-Rhythmus spielte er auf die Sinfonia zum zweiten Teil des „Weihnachtsoratoriums“ an und suggerierte damit – wie Bach –das Bild der musizierenden Hirten auf dem Feld bei Bethlehem, bevor der Engel erscheint. Freilich mischten sich dem Franzosen auch andere Farben ins Bild: Anklänge an französische Drehleiermusik und Reminiszenzen an die „Noëls“, jene pastoralen Weihnachtsstücke, die französische Organisten in der Christmette zu improvisieren pflegen.

Es folgen die Verse 2, 8-14 aus dem Lukasevangelium, vorgetragen von den vier Solisten im Wechsel. Das Rezitativ wirkt bei Saint-Saëns archaischer als bei Bach, angelehnt an den Rezitationston der katholischen Liturgie und von der Orgel in lange ausgehaltenen Akkorden begleitet. Lediglich bei den Verkündigungsworten geht der Sopran in ein hochromantisches Arioso über, das seine höchste Emphase bei den Worten „Christus Dominus“ erreicht. Erst beim „Gloria in excelsis Deo“ setzen auch die Streicher ein. Dabei ließ Saint-Saëns seine Engel über Bethlehem nicht in barockem Überschwang jubilieren, wie es Bach und Händel taten, sondern im strengen Kirchenstil Palestrinas.

Den Reigen der Arien eröffnet der Sopran in sanft schimmerndem E-dur und im Ton demütiger Heilserwartung („expectans expectavi Dominum“). Inbrünstiger und schon weit über Weihnachten hinaus weisend besingt der Tenor das Warten der Gläubigen auf den Erlöser („Domine, ego credidi“). Der Chor stimmt demütig in seinen Gesang ein. Erst die Harfentöne des folgenden Duetts verwandeln das Kommen des Messias in eine pastorale Genremusik: „Benedictus qui venit in nomine Domini“. Über quasi hingetupften Akkorden der Harfe und der Orgel stimmen Sopran und Bass eine Art weihnachtlicher Barcarole an. Bei der Stelle „Deus meus“ gehen sie in innigen Choralgesang über. Der Kontrast zum folgenden Chorsatz könnte kaum größer sein: Das „Warum toben die Heiden?“ vertonte Saint-Saëns ganz im Stile Händels: als wuchtigen Aufruhr der Chorstimmen über einem kräftigen Unisono-Thema der Streicher. Umso rührender der fast süßliche Schluss dieses Satzes.

Hochromantisches Arpeggio der Harfe begleitet das Terzett „Tecum principium“, während das „Alleluja“-Quartett wie ein Weihnachtschoral im Dreiertakt daher kommt. Seinen Höhepunkt erreicht das Oratorium in dem Quintett mit Chor „Consurge, Filia Sion“. Hier hat Saint-Saëns die Musik des Prélude wieder aufgegriffen. In die pseudo-Bachischen Harmonien der Hirtenmusik tönen nun die Solisten hinein. Ihr Wechselgesang zwischen Frauen- und Männerstimmen gleicht einem Weihnachtshymnus, in den der Chor immer wieder mit seinem „Alleluja“ einstimmt. Der Choralsatz eines schlichten Weihnachtsliedes beschließt das Werk.

Altis de caelis venio

 «Das Jahr 1534 erwies sich für Martin Luther in Wittenberg als sehr segensreich. Die erste Gesamtausgabe seiner Bibelübersetzung war erschienen und einige Tage vor Weihnachten wurde ihm sein sechstes Kind, das Margretlein, geboren. Während Luther die Weihnachtspredigt über Lukas 2, 8-20 ausarbeitete, fanden seine Gedanken Wort und Weise zu einem der schönsten deutschen Weihnachtslieder: Vom Himmel hoch da komm ich her. 1913 gab Hans Lüstenröder in Frankfurt a.M. ein Büchlein heraus: Lauda Sion Salvatorem! Cantica Latina mit der lateinischen Übertragung des Lutherliedes durch Heinrich Hansen, Pfarrer auf der nordfriesischen Insel Pellworm.», aus: Josef Hohl, Tiro 37/1991 (H. 11/12) S. 2, zitiert nach: www.gottwein.de

Altis de caelis venio


PDF: Noten und Text

1. Altis de caelis venio
Novumque vobis nuntio,
Quo maius et iucundius
Nil percepistis auribus.

2. Est natus puer hodie
Ex casta vobis virgine,
Puerulus tenellulus,
Quo cunctus gaudet populus.

3. Est verus Dei filius
Salvator, Christus, Dominus,
Salvabit ipse populum,
Redemptor erit gentium.

4. Salutem vobis tribuet,
Quam Deus pater conferet,
Nobiscum in caelestibus
Vivetis regionibus.

5. En signum vobis indico:
Nunc iacet in praesepio
Amictus incunabulis,
Qui mundum portat umeris.

6. O res quam laeta omnibus!
Eamus cum pastoribus,
Laeto visamus animo,
Quod Deus dat in Filio!

7. Attende, cor, et aspice:
Quis iacet hic in stramine?
Quis pulcher est infantulus?
Est sane dulcis Iesulus.

8. O salve, hospes nobilis,
Qui homines non respuis,
Hanc venis in miseriam:
Quid gratus Tibi porrigam?

9. Rerum creator omnium,
Nunc ubi est imperium,
Cum iaces in graminibus,
Quae edunt bos et asinus?

10.En mundus quamvis latior,
Auro gemmisque stratior,
Et margaritis splendidus
Prae cunis his, heu quantulus!

11. Faenum et incunabula
Sunt purpura et serica,
In quibus, Rex ditissime,
Splendes fulgesque lucide.

12. Sic vere mihi indicas,
Quantopere fastidias
Terrenas res et glorias
Honores et divitias.

13. O Jesu, meum animum
Fac Tibi purum lectulum,
In quo – ah, quantum gaudium! –
Quiescas in perpetuum

14. Qua re exsultat animus
Laetisque canit fidibus,
Et verum clamat euoe
Hoc salutari tempore.

15. Laus honor Deo Maximo
Et parto Unigenito,
Qui angelis est gaudium
Et nobis novum saeculum!