In der Europabeilage der Süddeutschen Zeitung vom 31.5.2012 liefert Burkhard Müller eine sehr knapp gefasste, lesenswerte «Bildungsgeschichte Europas»:
Die Bildung begann als reines Vergnügen. Griechisch scholê (das s und das ch sind getrennt zu sprechen) bedeutet Muße, Freizeit, dort ging man gern von sich aus hin, wenn die lästigen Pflichten erledigt waren. Der Ort, an dem man sich zusammenfand, war das gymnaseion, abgeleitet von gymnos, nackt, denn in erster Linie handelte es sich um den sportlichen Wettkampf, und dort erstrahlte die Herrlichkeit der klassischen Körper ohne störende Verhüllung. Außerdem traf man dort Leute, mit denen sich zu sprechen lohnte, man lauschte den Diskussionen und der Dichtkunst; und besonders schlossen sich, mit deutlich erotischem Akzent, die lernbegierigen Jünglinge den erfahrenen Männern an. Systematischen Charakter erlangt diese Idee von Bildung im vierten Jahrhundert vor Christus, mit Platon, der bei Athen im Hain des Zeus Akademos seine Akademía errichtete. Ihrem Vorbild folgten alle Philosophenschulen, die nun nach und nach entstanden. Philosophie, das war damals noch nicht das eng umgrenzte Fach, das sie heute ist, sondern der Inbegriff dessen, was man wissen konnte und wie man leben sollte. Der Philosoph in seinem Streben nach der Wahrheit schloss die Mathematik, Musik, Literatur und Rhetorik in seine Studien ein, auch die Naturwissenschaft, soweit die Antike so etwas überhaupt betrieb. Nur die praktischen Fertigkeiten hatten hier nichts zu suchen; den Handwerker, banausos, verachteten die Griechen. Dieses Bildungsideal war wiederum den Römern höchst suspekt…
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