Das Streiflicht der Süddeutschen Zeitung liefert Einsichten zur `Wahrheit über den Osterhasen’: Ist der Osterhase in Wirklichkeit ein Klippschliefer?
(SZ, 3.4.2012) Aufklärung ist immer auch eine Geschichte des Misslingens, und besonders rührend ist in dem Kontext der alljährlich wiederkehrende und zuverlässig scheiternde Versuch, die Wahrheit über den Osterhasen unters Volk zu bringen. In diesem Jahr ist es der Evangelische Pressedienst (epd), der sich der undankbaren Aufgabe unterzieht. Während die Armee der Schoko-Hasen das Osterfest bereits weiträumig besetzt hält, wird von dort aus die Information verbreitet, dass dem Osterhasen eigentlich ein Irrtum zugrunde liege, dass es lauter falsche Hasen seien, die da von der Süßwarenindustrie mobil gemacht wurden und nun mit grotesk gefletschten Nagezähnen herumstehen. Indes, viel Feind, viel Ehr, und so sei denn die Karwoche mit dem Hinweis begonnen, dass der einzige Osterhase, der auch theologisch ‘Sinn macht’, der Klippschliefer ist.
Laut epd ist es dem heiligen Hieronymus anzulasten, dass sich der Hase derart hat breitmachen können. Obwohl der Kirchenvater in den alten Sprachen besser zu Hause war als die meisten seiner Zeitgenossen, neigte er, wie er selber zugibt, zur Schluderei, und so kam es, als er die Bibel ins Lateinische übertrug, zu einem Fehler, der bis heute nachwirkt. Hieronymus gab das hebräische shaphan mit lepus wieder, und so nahm denn der Hase fortan den Platz ein, der dem Klippschliefer zugestanden hätte. Wobei es natürlich auch hier so war, dass der Heilige Geist seine unsichtbare Hand mit im Spiel hatte. Indem er zuließ, dass Hieronymus unkorrekt übersetzte, hielt er viel Unfug von der kirchlichen Sphäre fern. Man stelle sich vor, die Gemeinde hätte Psalm 104 Vers 18 so beten müssen: ‘Die hohen Berge sind der Gämsen Zuflucht, die Felsen die der Klippschliefer.’ An das Hallo, das dabei besonders unter den Buben aufgekommen wäre, darf man gar nicht denken, und womöglich wäre auch der Pfarrer ins Schlingern geraten, wenn er sich allfälligen Fragen zu Wesen, Vorkommen und Fortpflanzung der Klippschliefer hätte stellen müssen.
Die Frage, wie es der Hase schaffte, sich unter den theologisch relevanten Tieren einen derart hohen Rang zu sichern, kann hier weder erörtert noch gar beantwortet werden. Wohl aber können wir der Süßwarenindustrie für den Fall, dass sie die Marktlücke Schokoklippschliefer schließen will, mit dem Hinweis dienen, dass der Klippschliefer zu den Schliefern zählt und dass er weitschichtig mit Elefant und Seekuh verwandt ist. Doch keine Angst, Konditoren, in aller Regel hat der Klippschliefer die Größe eines Pfeifhasen oder Murmeltiers, und so sieht er auch aus. Kurios übrigens, dass es in einer anderen Übersetzung von Psalm 104 Vers 18 heißt, die Felsen seien eine Zuflucht der Igel. Sollte das ebenfalls auf Hieronymus zurückgehen, so wäre er in gewisser Weise auch der Erfinder des Wettlaufs zwischen Hase und Igel.